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Einleitung

(Wir starten auf unseren Internetseite eine genehmigte Fortsetzungsserie aus dem Buch „Im Blickpunkt: Der ältere Mensch“)

Die Altersstruktur unseres Landes hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert, was auf die höhere Lebenserwartung und den Geburtenrückgang zurückzuführen ist. Die daraus resultierende Tendenz zu einem größeren Anteil älterer Menschen wird sich auch in den nachsten Dekaden fortsetzen. Aus der Alterspyramide zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bei der eine relativ kleine Gruppe älterer einer großen Anzahl jüngerer Menschen gegenüberstand, wird bis zum Jahr 2030 ein „Alterspilz" werden, bei der die über 60-Jährigen die zahlenmäßig stärkste Gruppe darstellen. Hier steht der Einzelne genauso wie die Gesellschaft in der Pflicht, bei dem Zuwachs an Lebensquantität die Lebensqualität nicht zu vernachlässigen. Sportliche Aktivitäten älterer Menschen können hierzu wesentlich beitragen, wobei die Zielsetzung vielfältig sein kann. Unabhängig vom konkreten Ziel werden eine längerfristige Akzeptanz und letztlich Erfolge eines Sportangebots jedoch nur dann zu erwarten sein, wenn die Inhalte der sportlichen Aktivität an der Zielsetzung ausgerichtet sind: Stehen der Spaß an der Bewegung oder die soziale Integration im Vordergrund, dann orientieren sich die inhaltlichen Schwerpunkte primär an den Vorlieben der Teilnehmer; das sportliche Angebot kann dabei ohne eine ausgeprägte Systematik den gewünschten Erfolg erzielen. Anders sieht die Situation aus, wenn es um eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit geht. Dies ist notwendig verknüpft mit dem Begriff Training, also mit einer systematischen Struktur aus Art, Dauer und Intensität der Belastungen. Bei dieser Form des Sporttreibens im Alter stößt man jedoch häufig auf eine kritische, zuweilen ablehnende Haltung in der Gesellschaft: „Etwas leisten können" wird immer noch als Attribut der jungen und mittleren Generation angesehen. Eine uneingeschränkte Zustimmung ist bisher nur dann zu erwarten, wenn Verbesserung der Leistungsfähigkeit der „Gesunderhaltung" dient. Selbstverständlich sind Zielsetzungen wie Erhalt der selbstständigen Lebensführung, Sturzprophylaxe und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedeutsam und durch Sport realisierbar. Eine gute körperliche Leistungsfähigkeit wirkt sich aber weit mehr aus.

Selbst so scheinbar triviale Dinge wie die Fähigkeit, die Enkel noch auf den Arm nehmen zu können, können zur positiven Lebenseinstellung beitragen. Letztlich sollten auch bei älteren Menschen Motive wie „sich mit anderen messe“ oder „seine Leistungsgrenzen erfahren“ eine dem Gesundheitsgedanken gleichwertige Akzeptanz erfahren. Ältere Menschen werden nicht alt geboren - sie haben eine Vergangenheit, die Gegenwart und eine Zukunft in einer leistungsorientierten Gesellschaft.
Die Veränderung im Alter besteht in erster Linie darin, nicht mehr zur Leistung gezwungen zu sein. Der Wunsch vieler älterer Menschen, sich im Rahmen der individuellen körperlichen Voraussetzungen adäquat zu fordern und das Optimum zu erreichen, sollte sich auch in entsprechen den Sportangeboten widerspiegeln.
Wie aber sieht die Angebotslage aus? Sportvereine gehen in der letzten Zeit allmählich dazu über, Seniorenabteilungen zu gründen. Finanziell unterstützt werden sie dabei von den Landessportverbänden. Im Jahr 1997 hatten in Nordrhein-Westfalen von den insgesamt ca. 20 000 Sportvereinen nur 520 Vereinen anerkannte Seniorensportgruppen, der prozentuale Anteil liegt also unter drei Prozent. Noch wesentlich schlechter stellt sich die Situation in Seniorenheimen dar. In einem 1997 durchgeführten Workshop des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe für Pflegepersonal von Seniorenheimen und -wohnanlagen wurde deutlich, dass in den meisten Häusern allenfalls die „Sitzstuhlgymnastik“ angeboten wird, was dem körperlichen Leistungsstand vieler Teilnehmer nicht gerecht wird. Aus physiologischer Sicht können von solchen Angeboten kaum positive Effekte erwartet werden. Als Ursache für den Mangel an adäquaten Angeboten wurde angesehen, dass kein sportliches Konzept existiert, das der Situation in Seniorenheimen gerecht wird. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass bei der eigenen Leistungsbeschreibung von Seniorenheimen das Stichwort „Sport" so gut wie nicht vertreten ist, ja selbst „Gymnastik" nur marginal auftritt. Als Beispiele können die Städte Hamburg, Köln, München und Berlin dienen: Von den insgesamt 811 aufgeführten Heimen hatte keiner einen Eintrag „Sport“, lediglich 24 Häuser (3%) führten „Gymnastik" auf.
Wir möchten in unserer Region aus dem Buch „Im Blickpunkt: Der ältere Mensch“ einen Beitrag dazu liefern, sich von dem Gedanken „Sport als Beschäftigungstherapie für Senioren“ zu lösen und durch „aktives und leistungsorientiertes Sporttreiben von Senioren“ zu ersetzen. Sportliche Angebote müssen den unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten entsprechend inhaltlich differenzierter ausgerichtet werden. Die Etablierung eines Sportangebotes im unmittelbaren Umfeld der Vereine bedeutet zunächst eine Erweiterung des kulturellen Angebotes für ältere Menschen, ohne dass Anfahrtsstrecken in Kauf genommen werden müssen.


 

Lebensqualität durch körperliche Leistungsfähigkeit

Selbstständige Lebensführung im Alter

Eine wesentliche Voraussetzung der selbstständigen Lebensführung ist die Fähigkeit, den Alltag ohne Fremdhilfe meistern zu können. Denn schon so elementare Dinge wie Gehen, das Überwinden von Stufen oder das Tragen von Einkaufstaschen können auch bei einem gesunden älteren Menschen begrenzend wirken. Nach epidemiologischen Studien in den USA sind bei den über 75-jährigen Senioren 28 % der Männer und 66 % der Frauen nicht mehr in der Lage, Gewichte von 4,5 kg zu heben. In einer vergleichbaren Altersgruppe konnten über 60 von insgesamt 100 untersuchten skandinavischen Senioren Stufenhöhen nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen, die z. B. beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel üblich sind. Neben der unmittelbaren Beeinträchtigung ist zu vermuten, dass solche Einschränkungen zu einer übergreifenden Vermeidungsstrategie führen. Die Betroffenen setzen sich immer weniger körperlich anstrengenden Situationen aus, somit fehlen neben dem alltäglichen Trainingsreiz auch die Bewältigungserfahrungen und Erfolgserlebnisse, was letztlich in eine manifestierte Unsicherheit und damit in die Unselbstständigkeit mündet.
Ein weiteres Kriterium für die Qualität einer selbstständigen Lebensführung ist der Grad an Sicherheit, mit dem alltägliche Dinge verrichtet werden können. In mehreren amerikanischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass im Alltag Senioren um so weniger stürzen, je stärker die Kraft der Beinstreckmuskulatur entwickelt ist). Ein Vergleich zwischen diesen Studien und einer Untersuchung bei japanischen Senioren ergab, dass auch dort die älteren Menschen mit der schwächsten Beinkraft am häufigsten fallen, dass aber insgesamt die Sturzhäufigkeit viermal niedriger war als in der amerikanischen Gruppe. Für den gravierenden Unterschied gibt es sicherlich mehrere Erklärungsansätze. Als wesentlichen Grund diskutierten die Autoren den unterschiedlichen Lebensstil, vor allem die generationsübergreifende stärkere Gewichtung von Körpergefühl und Balancefähigkeit bei den Japanern.
Lebensqualität bedeutet weiterhin Mobilität. Wie aber kommen ältere Menschen mit der zunehmend hektischeren Situation im öffentlichen Verkehr zurecht? Hier verunglücken Senioren insbesondere als Fußgänger. Bezieht man die Unfallhäufigkeit innerhalb verschiedener Generationen auf die jeweilige Bevölkerungszahl, dann ist das Risiko im Vergleich zu den 30- bis 50-Jährigen ca. fünffach und zu 20- bis 30-Jährigen sogar neunfach höher. Zu den Faktoren, die für diesen Anstieg im höheren Alter verantwortlich sind, können das Reaktionsvermögen, die Bewegungsschnelligkeit und das Einschätzen von Geschwindigkeiten, z. B. das eigene Tempo in Relation zum herankommenden Auto, genannt werden.
Erstaunlich hoch ist die Anzahl von Senioren in Deutschland, die einen eigenen Pkw oder ein eigenes Fahrrad benutzen. Von den Haushalten der über 60-Jährigen besaßen 46 % ein Auto und 50 % mindestens ein Fahrrad. Leider fallen die älteren Autofahrer zusammen mit jungen Fahrern, die erst wenige Jahre im Besitz des Führerscheins sind, als Unfall verursacher stark auf. Bei den Senioren kommen als Hintergründe neben dem Reaktionsvermögen auch ein reduziertes Blickfeld in Betracht, das neben der Sehschärfe und dem Gebrauch von Brillen auch durch die eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes begrenzt wird: In einigen Verkehrssituationen ist es für den Fahrer notwendig, den Blick seitlich nach hinten zu werfen. Bei älteren Menschen beobachtet man häufig anstelle einer isolierten Halsdrehung entweder eine komplette Drehung des Rumpfes mit der Gefahr, den Lenker dabei zu verreißen oder sie benutzen nur noch den Außenspiegel mit der Gefahr, andere Verkehrsteilnehmer im „toten" Winkel zu übersehen. Insgesamt wird deutlich, dass eine ungenügende körperliche Leistungsfähigkeit an vielen Stellen die selbstständige Lebensführung im Alter begrenzen kann.
 

 

Soziale Integration im Alter



Im Hinblick auf die Familie, welche in der Regel die primäre und engste soziale Gemeinschaft darstellt, hat sich in den letzten Jahrzehnten ein dramatischer Wandel vollzogen. Es kam zu einer Abwendung von der Großfamilie, die mehrere Generationen in einem Haushalt vereinte, und zu einer Zunahme von Ein- bis höchstens Zweigenerationen-Haushalten. Konkrete Zahlen hierzu liefert das statistische Bundesamt. So lebten von den ca. 16 Millionen Menschen in der BRD, die älter als 60 Jahre waren, nur noch jeder Fünfte mit einem Kind zusammen. Haushalte mit Enkeln waren noch wesentlich seltener anzutreffen. Völlig allein lebten 4,6 Millionen Senioren, wobei deutliche Unterschiede zwischen Seniorinnen und Senioren festgestellt werden konnten: Nur 18% allein lebender Männer standen 60% der Frauen gegenüber. Drei Gründe können hierfür verantwortlich gemacht werden: Zum Erfassungszeitpunkt handelte es sich um eine Generation, die unmittelbar vom Zweiten Weltkrieg betroffen war, zum Zeitpunkt der Eheschließung waren die Frauen jünger und die Lebenserwartung der Frauen ist höher. Der erste Faktor wird in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung verlieren, die beiden anderen Punkte dagegen werden das Ungleichgewicht zwischen allein lebenden Seniorinnen und Senioren aller Voraussicht nach weiter aufrechterhalten.
Bemerkenswert hoch ist der Anteil an Senioren, die Mitglied in einem Sportverein sind. Von den über 60-Jährigen waren es 1989 ca. 8 %. Solche Zahlen sagen nichts aus über den Anteil aktiv sporttreibender Senioren, auf jeden Fall zeigen sie, dass Sport als Eintrittskarte und Bindeglied in Gemeinschaften einen Stellenwert hat. Leider waren bei den 8 % der vereinsorganisierten Senioren die Frauen deutlich unterrepräsentiert. Das dort vorhandene, hohe Interesse der Frauen macht deutlich, dass neben den Vereinen, welche bis vor kurzem als Sportanbieter den größten Stellenwert hatten, alternative Angebotsformen u.U. sogar höhere Erfolgschancen haben, von älteren Menschen angenommen zu werden.
Letztlich spielt bei der Bedeutung des Sports für die Integration in eine Gemeinschaft auch die körperliche Leistungsfähigkeit und damit Training eine Rolle. Denn „alleine leben" heißt zunächst nicht zwingend „einsam sein“. Um es nicht zu einer Symbiose der beiden Eigen¬
schaften kommen zu lassen, müssen Kontakte zu Mitmenschen aufrechterhalten oder neu geknüpft werden. Und um dabei nicht zu Hause auf andere warten zu müssen, bedarf es der eigenen Mobilität.
 

 

Interesse an sportlichen Aktivitäten bei älteren Menschen

Aus den vorangegangenen Kapiteln wird deutlich, dass Sport die Lebensqualität von Senioren in vielfältiger Weise erhalten bzw. verbessern kann. Neue Kontakte zu Mitmenschen, die Integration in eine Gruppe oder die Kompensation einer alltäglichen Reizarmut sind bedeutsame Komponenten; sie sind jedoch nicht zwingend an ein Sportprogramm gekoppelt. Spezifisch und nur durch den Sport zu realisieren ist dagegen
der Erhalt bzw. die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Ein Sportangebot kann aber selbstverständlich nur dann erfolgreich sein, wenn es von den älteren Menschen auch angenommen und genutzt wird. Es existieren mehrere Untersuchungen zu den Themenkreisen, wie groß der Anteil an sporttreibenden bzw. nicht sporttreibenden Senioren ist, welche Motivation sie dazu haben usw. So sind nach einer Bonner Studie in der fünften Lebensdekade ca. 17%, in der sechsten Dekade 13% und von den über 70-Jährigen noch 6% sportlich aktiv. Zum Erreichen der Sportstätten wurden bei den Senioren unter 70 Jahren der Pkw am häufigsten genutzt, der größte Teil der über 70-Jährigen ging zu Fuß. Während das Fahrrad in beiden Gruppen auch noch einen Stellenwert hatte, spielten öffentliche Verkehrsmittel kaum eine Rolle. Für Senioren im hohen Alter erscheint es demnach wichtig, dass Sportveranstaltungen in der Nähe ihrer Wohnstätte angeboten werden.
Wesentlich bedeutsamer als die Optimierung des Angebots für bereits Sporttreibende wäre es aber, auch den in allen Altersabschnitten weitaus größeren Anteil der sportlich inaktiven Senioren für ein körperliches Training zu gewinnen. Deshalb wurde der Frage nachgegangen, warum solche ältere Menschen keinen Sport ausüben. Aus einer Vielzahl von vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wurde die Antwort „Ich fühle mich auch ohne Sport wohl" am häufigsten gewählt. An zweiter Stelle stand die Antwort „Ich habe genug andere Hobbys". Dieses Ergebnis waren weitgehend unabhängig davon, ob die Senioren in jüngeren Jahren sportlich aktiv gewesen waren oder ob es sich um lebenslängliche Nichtsportler handelte. Hier wird folgendes Problem deutlich: Die Reduktion der körperlichen Leistungsfähigkeit im Alter ist kein plötzlich aufkommendes Phänomen, sondern ein schleichender Prozess, der zunächst kaum wahrgenommen wird. Daher wird ein sportliches Angebot mit dem exklusiven Ziel, etwas für das Wohlbefinden und die Gesundheit zu tun, von wenig Erfolg gekrönt sein. Die Häufigkeit der Antwort „Ich habe genug andere Hobbys" lässt außerdem vermuten, dass Sport von vielen gar nicht als Möglichkeit gesehen wurde, die Leistungsfähigkeit zu verbessern, sondern als reine Freizeitbeschäftigung.
Den gleichen Senioren wurde auch die Frage gestellt, unter welchen Umständen sie mit Sport- bzw. Bewegungsaktivitäten anfangen würden. Die ausschließende Antwortmöglichkeit „Unter keinen Umständen" wurde bei der Gruppe der unter 70-Jährigen lediglich von 10% der Befragten gewählt, dagegen waren es ca. 50% der über 70-Jährigen. Von denjenigen, die eine Sportaktivität nicht von vorne herein ausschlössen, waren die beiden Voraussetzungen „Sportangebot in der Nähe“ und „auf Arztempfehlung“ dominant. Die zweite Angabe zeigt, dass offensichtlich zwar eine vage Vorstellung existiert, dass Sport etwas mit Gesundheit zu tun haben könnte. Die Bedeutung des Sports als präventive Maßnahme scheint einer breiten Bevölkerungsschicht jedoch nicht bewusst zu sein oder - wie oben bereits erwähnt - die Notwendigkeit einer Prävention gegen die Reduktion der körperlichen Leistungsfähigkeit wird nicht gesehen.
Insgesamt sind die Ergebnisse solcher Befragungen sicherlich hilfreich für die Einschätzung der befragten Gruppe, sie sollten aber nur mit der nötigen Vorsicht verallgemeinert werden. Dabei ist das Problem der Stichprobengröße noch von untergeordneter Bedeutung. Wesentlich schwerwiegender ist, dass die Antworten stark von dem unterschiedlichen Verständnis jedes Einzelnen abhängen, was Sport bedeutet. Dies reicht von den konkreten Inhalten (zählt z. B. Wandern zum Sport?) bis hin zu den Erinnerungen an das eigene Sporttreiben. Der Gedanke an einen als unangenehm empfundenen Sportunterricht in der Jugend reicht wahrscheinlich bei vielen Nichtsportlern schon aus, sportliche Aktivitäten im Alter von vorne herein auszuschließen. Sie würden ihre Meinung vielleicht ändern, wenn sie eine Sportveranstaltung mit Senioren die ihre Freude an der Bewegung zum Ausdruck bringen, zunächst als passiver Zuschauer erleben würden.
 

 

Körperliche Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im Alter

Es ist trivial, dass ein Trainingsreiz an der körperlichen Verfassung älterer Menschen nur dann etwas verbessern kann, wenn das angesprochene Organsystem an die erhöhte Beanspruchung noch adaptieren kann. Die Verbesserungsmöglichkeiten von Ausdauer, Kraft, Flexibilität und Koordination durch ein Training im höheren Alter und damit die Empfehlungen für die Inhalte eines Sportprogramms werden immer noch kontrovers dargestellt. Um sich selbst ein Bild über die Veränderungen im Altersgang und die Trainierbarkeit machen zu können, werden nachfolgend zunächst die wichtigsten Begriffe, Grundlagen und Meßmethoden zu den Themengebieten erklärt. Die häufig verwendeten Fachbegriffe sind durch Fettschrift hervorgehoben. Dem schließen sich Befunde aus der Literatur und eigene Untersuchungen an, die die jeweiligen Leistungsänderungen und die Trainierbarkeit im Alter aufzeigen.


Kraft - Einftussfaktoren und Messmethoden der muskulären Kraft

Ein Muskel besteht aus Muskelzellen, Bindegewebe und Blutgefäßen. Er ist an seinen Enden mit Hilfe von Sehnen mit Knochen verbunden, wobei zwischen den beiden Enden ein oder mehrere Gelenke liegen. Mit einem Mikroskop könnte man sehen, dass iede Muskelzelle durch eine Nervenzelle mit dem zentralen Nervensystem verbunden ist. Das wesentliche Merkmal von Muskelzellen ist, dass sie sich auf einen Nervenreiz hin verkürzen bzw. gegen einen Widerstand Kraft erzeugen können. Die willentlich realisierbare Maximalkraft wird bestimmt durch ie Anzahl und Querschnittsfläche der Muskelzellen und die Höhe der nervalen Aktivität. Das Zusammenspiel der motorischen Nerven eines Muskels bei einer Kontraktion wird als intramuskuläre Koordination bezeichnet. Sind mehrere Muskeln an einer komplexen Bewegung beteiligt, dann spricht man von intermuskulärer Koordination. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Arten der Muskelarbeit einzuteilen, nimmt man die resultierende Gelenksbewegung als Kriterium, dann existieren die beiden Grundformen dynamisch, bei der der Muskel sich anspannt und der Gelenkswinkel sich ändert, und isometrisch, bei der der Muskel sich ebenfalls anspannt, der Gelenkswinkel jedoch konstant bleibt. Im zweiten Fall erkennt man von außen keine Bewegung, Bei der Messung der willkürlichen Maximalkraft ergibt sich die Schwierigkeit, dass die muskuläre Kraft nicht direkt erfasst werden kann (dafür müsste man die Sehnen abtrennen und den Kraftsensor direkt daran befestigen). In der Praxis wird oftmals das Gewicht angegeben, das nur noch einmal dynamisch überwunden werden kann. Dabei ist man aber stark von dem minimalen Winkel innerhalb der Bewegung abhängig. Wird z. B. die Kraft der Oberschenkel gemessen, dann können von der gleichen Versuchsperson bei einem Ausgangsgelenkwinkel von 120° wesentlich höhere Gewichte bis zur Kniestreckung gebracht werden als aus der tiefen Kniebeuge. Letztlich werden immer äußere Kräfte gemessen, deren Höhe neben der muskulären Kraft auch von der Hebellänge abhängen. Um Messungen verschiedener Untersucher miteinander vergleichen zu können, wird daher anstelle der Kraft häufig das Drehmoment (Produkt aus Kraft und Kraftarm) angegeben.
 

Veränderung der Muskelkraft im Alter

Das isometrische Drehmoment der Oberschenkel-Streckmuskulatur zeigt in Querschnittsstudien einen Anstieg vom Jugendlichen zum Erwachsenen und ein Plateau zwischen dem 20. und 40. Lebensiahr, dem sich eine kontinuierliche Reduktion anschließt. Bezieht man die Ergebnisse auf das Körpergewicht, dann bleibt die Abnahme im höheren Alter bestehen, dagegen werden die Unterschiede zwischen den Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen aufgehoben. Als Ursachen für den Kraftverlust im Alter kommen eine schlechtere intramuskuläre Koordination und eine Reduktion der Muskelmasse in Betracht.
Viele morphologische Studien zeigen, dass tatsächlich die Querschnittsfläche von Muskelzellen im Alter abnimmt.

Es gibt einige Hinweise dafür, dass es sich dabei zumindest nicht ausschließlich um einen Alterungsprozess per se handelt, sondern um ein Spiegelbild des alltäglichen Aktivitätsgrades von Senioren:
• Von der Querschnittsverkleinerung sind vor allem solche Muskelzellen betroffen, die sich an der Kontraktion erst bei höheren Kräften beteiligen.
• Bei über 65-Jährigen besteht eine positive Beziehung zwischen der täglichen Schrittzahl und der Kraft der Wadenmuskulatur.
• Bei 100 Arbeitern einer Maschienenfabrik, die den gleichen Arbeitsbelastungen des Oberkörpers ausgesetzt sind, können in der untersuchten Altersspanne von 22 bis 62 Jahren keine Unterschiede der Maximalkraft der Unterarme festgestellt werden.
Ein weiterer Hinweis stammt aus dem Vergleich zwischen untrainierten Senioren und solchen, die über viele Jahre Schwimmen, Laufen oder ein regelmäßiges Krafttraining betrieben hatten. Die Senioren waren alle zwischen 60 und 70 Jahre alt. Als weitere Kontrollgruppe diente ein 20- bis 30-jähriges untrainiertes Kollektiv. Das maximale Drehmoment der Oberschenkelstrecker nahm bei den Senioren in der Reihenfolge untrainierte Gruppe, Schwimmer, Läufer und Krafttrainierte zu, wobei die letzte Gruppe vergleichbare Kräfte realisierte wie die junge Kontrollgruppe. Die Unterschiede zwischen den trainierten Gruppen ist durch die Kraftbelastungen der Beine in den Sportarten zu erklären, die beim Schwimmen geringer ist als beim Laufen, da Läufer bei jedem Bodenkontakt die Gewichtskraft muskulär abfangen müssen. Die Untersuchung einzelner Muskelfasern ergab, dass die Querschnittsflächen der Krafttrainierten deutlich größer als bei den anderen Senioren und mit der jungen Kontrollgruppe nahezu identisch waren. Der Vergleich der Armkraft innerhalb derselben Personen zeigt, dass es sich tatsächlich um einen spezifischen Trainingseffekt gehandelt hat.
Dem die maximalen Drehmomente der Armbeuger waren bei den untrainierten Senioren, Schwimmern und Läufern entsprechend der im Sport nicht vorhandenen Beanspruchung annähernd gleich.
Die bisher aufgeführten Befunde sind jedoch in ihrer Kausalität nicht eindeutig: Sind ältere Menschen stärker, wenn sie sich höher belasten oder wird ihnen die höhere Belastbarkeit durch eine genetisch günstigere Voraussetzung erst ermöglicht? Um dies zu klären, helfen Untersuchungen weiter, die sich mit den Krafttrainingseffekten bei bis dahin untrainierten Senioren beschäftigen. Es existieren vereinzelte Studien, die dabei keinen Kraftzuwachs nachweisen konnten. Sie haben jedoch eines oder mehrere der folgenden Merkmale gemeinsam, die auf einen zu geringen Trainingsreiz hindeuten:

• geringe Reizdichte (Training einmal wöchentlich)
• geringe Reizintensität (Trainingskräfte unterhalb von 50% der Maximalkraft)
• geringe Trainingsdauer (unter 4 Wochen)

Dem steht eine mittlerweile beachtliche Liste von Studien gegenüber, die einen Kraftzuwachs bei älteren Frauen und Männern im Verlaufe eines Krafttrainings zeigen.
Die Größe des Kraftgewinns übertrifft in einigen Fällen sogar die Veränderungen, die bei jüngeren Personen zu erwarten sind. Dabei liegt der Schluss nahe, dass es sich um einen starken koordinativen Effekt gehandelt hat. Insgesamt stellt sich heraus, dass Senioren von einem Krafttraining in ähnlicher Weise profitieren können wie Jüngere. Die Voraussetzung dafür ist, dass

• sich die Trainingsbelastungen an der aktuellen Leistungsfähigkeit orientieren und hinreichend groß sind (mind. 60 % der maximal möglichen Kraft),
• die Trainingsdichte hoch genug sind (zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche) und
• die Trainingsdauer sich über einen längeren Zeitraum erstreckt (Monate).

Einige Untersucher postulierten noch vor einigen Jahren, dass die Kraftzunahmen bei älteren Menschen nahezu ausschließlich durch eine verbesserte nervale Ansteuerung der Muskulatur hervorgerufen werden. Es gibt jedoch mehrere jüngere Studien, die sowohl bei Frauen als auch bei Männern Querschnittsvergrößerungen der Muskelzellen im Verlaufe eines Krafttrainings aufzeigen konn.
Letztlich ist dieser Streitpunkt primär von akademischem Interesse.
Für die Betroffenen bedeutet eine Zunahme der willkürlich aktivierbaren Kraft in jedem Fall eine Vergrößerung des ausnutzbaren Leistungspotentials und damit eine Verbesserung ihrer Alltagssituation.
 

Ausdauer - Einflussgrößen und Messmethoden der Ausdauer


Die Ausdauerleistungsfähigkeit ist eng verbunden mit dem Energiestoffwechsel der Muskelzellen. Wenn man eine Tätigkeit über eine längere Zeit absolvieren möchte, dann ist dies nur mit der Energiegewinnung möglich, die neben den Nährstoffen auch den Sauerstoff aus der Umgebungsluft benötigt (= aerober Stoffwechsel). Andere energiebe-reitstellenden Prozesse dagegen, bei denen der Sauerstoff keine Rolle spielt, sind spezialisiert für relativ kurze, intensive Belastungen und für den Übergang von einer geringen zu einer höheren Leistung.
Über den Grad der Ausdauerleistungsfähigkeit bestimmt demnach die Menge an Sauerstoff, die pro Zeiteinheit an die Muskelzellen herantransportiert und dort benutzt werden kann. Für den Antransport aus der Luft zu den Zellen ist die Atmung und das Herz-Kreislaufsystem verantwortlich. Der Umsatz von Sauerstoff kann nur in besonderen Strukturen der Muskelzellen (= Mitochondrien) erfolgen. Das übliche Maß für die Ausdauerleistungsfähigkeit, die maximale Sauerstoffaufnahme, setzt eine Ausbelastung der Versuchsperson voraus. Dabei kann nicht unmittelbar erkannt werden, ob sie durch den Antransport zu den Muskelzellen oder durch den Umsatz in den Muskelzellen begrenzt
wird, da sie als Differenz zwischen der eingeatmeten und ausgeatmeten Menge an Sauerstoff berechnet wird. Trotzdem lassen sich aber die Bedingungen abschätzen, bei denen die einzelnen Faktoren begrenzend wirken.
• Atmung: Die Aufgabe der Atmung besteht darin, Umgebungsluft durch das Einatmen in den Lungeninnenraum zu bringen, wo das Blut mit Sauerstoff beladen wird. Bei der Ausatmung wird sauerstoffarme und kohlendioxidreiche Luft abgegeben. Es ist allgemein anerkannt, daß bei Menschen im jungen bis mittleren Alter die Atmungskapazität nicht begrenzend für die maximale Sauerstoffaufnahme ist.
Dies scheint auch für lungengesunde Senioren zuzutreffen: 65- bis 75-Jährige absolvierten ein achtwöchiges Atemtraining. Es kam zu signifikanten Verbesserungen der maximalen Ventilation, die maximale Sauerstoffaufnahme dagegen blieb unverändert.
• Herz-Kreislauf: Die Fähigkeit des Herzkreislaufsystem, Blut zu den Muskelzellen zu transportieren, wird von der Pumpleistung des Herzens, der vorhandenen Blutmenge und der Größe der Austauschoberfläche zwischen den Blutgefäßen und den Muskelzellen bestimmt.
Die maximale Blutmenge, die das Herz innerhalb einer gegebenen Zeit zu pumpen vermag, setzt sich aus dem Produkt aus Frequenz und Auswurfvolumen des Herzens zusammen (= Herz-Zeitvolumen). Bei körperlichen Belastungen, bei denen große Muskelgrup- |g
pen beteiligt sind wie Laufen, Schwimmen, Radfahren, Fußball usw. ist das Herzkreislaufsystem häufig der begrenzende Faktor für die maximale Sauerstoffaufnahme.
• Mitochondrien: Aufgrund ihrer besonderen Stellung im Energiestoff-Wechsel werden die Mitochondrien auch als „Kraftwerke“ der Muskelzellen bezeichnet. Sie begrenzen die maximal erreichbare Sauerstoffaufnahme, wenn kleine Muskelsruppen arbeiten.
Von den Messmethoden der Ausdauerleistungsfähigkeit wurde die Bestimmung der Sauerstoffaufnahme bereits kurz angesprochen. Sie konnte bis vor einigen Jahren nur unter Laborbedingungen getestet werden. Mittlerweile existieren miniaturisierte Geräte, die mit Akkus arbeiten und damit überall eingesetzt werden können. Neben der Bestimmung
der Sauerstoffaufnahme gibt es noch eine Vielzahl von indirekten Methoden, von denen hier nur einige aufgeführt werden können. Als eine relativ einfach zu erfassende Größe bietet sich das Herzfrequenzverhalten bei Belastung an. Je besser die Ausdauerleistungsfähigkeit, desto niedriger ist die Herzfrequenz bei einer vorgegebenen und konstanten Belastungsintensität. Vergleiche sind jedoch nur intraindividuell und innerhalb einer nicht zu großen Lebensspanne möglich, da die maximal |erreichbare Herzfrequenz mit dem Alter sinkt. Häufig wird auch die Blutkonzentration der Milchsäure erfasst, die bei Muskelarbeit bei schlechter Ausdauerleistungsfähigkeit schneller ansteigt.


 

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Letzte Aktualisierung am 15.07.2018

2001 by Jochen Strack

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